Teil 1/3: Es ist ja so, dass ich mit 27 Jahren zum Militär gegangen bin, und zwar mit voller Begeisterung. Aber auch mit sehr viel Aufregung. Alle Türken, die im Ausland leben, müssen in der Türkei Wehrdienst leisten. Wenn sie es nicht tun, bekommen sie viele Probleme und können womöglich sogar nie mehr in ihre Heimat reisen, ohne verhaftet zu werden. Für mich war diese Zeit sehr wichtig, ich hatte mich total darauf gefreut.
Beim Gang von der Ausgabestelle für die Ausrüstung bis zu den Umkleideräumen war ich so ungeduldig, dass ich schon während des Gehens in der Gruppe anfing, mich umzuziehen – so glücklich war ich. Ich zog mir wirklich beim Gehen meine Zivilkleider aus und die Soldatenuniform an. Meine Kameraden in der Gruppe lachten mich aus, aber das interessierte mich nicht – ich wollte so schnell wie möglich umgezogen sein.
Nach der Einkleidung bekamen wir von den Vorgesetzten eine Einführung. Wir sind in einen großen Raum gebracht worden, in dem Betten für 72 Mann standen – und dieser Raum war voll. Ich habe mich auch darüber gefreut, so eine Erfahrung hatte ich noch nie gemacht, das kannte ich nicht – ein so großer Massenschlafsaal!
Morgens sind wir immer um 5 Uhr aufgestanden und frühestens ab 22 Uhr hatten wir wieder frei. Dazwischen haben wir viele Grundlagen gelernt: theoretisches Wissen, von A – Z. Jeder Tag war für mich voller Freude, auch die Schießübungen haben mich begeistert. Nicht weil ich das mögliche Töten gut fand, sondern weil man wirklich für den Ernstfall als letzte Möglichkeit schießen können muss.
Die ganze Masse hat bei den Übungen immer wieder geschrieen. „Unsterblicher Soldat – in guten Zeiten, in schlechten Zeiten bin ich für Dich da, mein Land“. Ich hatte jedes Mal so laut mitgeschrieen, dass ich in wenigen Tagen keine Stimme mehr hatte. Am 11. Tag war der Tag der Vereidigung – mit lautem Schreien des Eides. Darum wollte ich ab dem dritten Tag meine Stimme schonen, damit bei der Vereidigung meine Stimme wieder voll da war. Ich wollte, dass die Berge um uns herum erzittern von meiner Stimme bei der Vereidigung – und ich glaube, das mir das gelungen ist.
Ich wusste, dass da nun eine neue Welt für mich ist, keine Autos mehr, keine Frauen mehr, eine völlige Umstellung. Bei einigen Wenigen hatte diese Umstellung nicht geklappt, sie kamen damit nicht klar, auch nicht mit den vielen Regeln, sie wurden aggressiv – doch bei mir war es völlig umgekehrt: Das Militär ist wie eine Schule, und man sollte dafür gerade stehen.
Kapitel 4:
Teil 1:“Unsterblicher Soldat” – und Kemal Arkin
Teil 2:Und mein Geist lernte fliegen – sah hinunter auf Kemal Arkin
Teil 3:Kein Soldat will den Krieg – weiss Kemal Arkin
Ein fantastischer Bericht! Hatte immer geglaubt, niemand geht gerne zum türkischen Militär. Nicht mal Türken selbst. Dagegen ist unsere Bundeswehr ja der reinste Abenteuerurlaub 😉
Hallo Holger,
wenn ich noch einmal zur Welt kommen würde, würde ich noch einmal zur Militär hingehen. Diese Lebenserfahrung im Leben würde ich für kein Geld der Welt tauschen. Noch heute mache ich mir Vorwürfe, warum ich erst mit 27 zum Militär hingegangen bin und nicht mit 18. Ich denke, aus Fehlern lernt man.
Gruß
Kemal Arkin